ZfdA 144 (2015), S. 274-280

Mittelalter-Philologie im Internet

42. Beitrag: Mediävistik für das 21. Jahrhundert. Die App 'Frankfurt im Mittelalter. Auf den Spuren des Passionsspiels von 1492' aus fachwissenschaftlicher Perspektive

von Regina Toepfer

Der Deutsche Germanistentag 2013 in Kiel widmete sich dem Thema "Germanistik für das 21. Jahrhundert" und regte an zu "Positionierungen des Faches in Forschung, Studium, Schule und Gesellschaft".(1) Angesichts der zahlreichen inhaltlichen und strukturellen Wandlungen, die Germanistik und Deutschunterricht seit 1970 erfahren haben, wollte sich der Verband mit diesen, seit der Wende zum 21. Jh. beschleunigten Veränderungen auseinandersetzen und sie kritisch reflektieren. Verschiedene Perspektiven aus Forschung, Studium, Schule und Gesellschaft sollten zusammengeführt werden, um den Austausch zwischen diesen Bereichen zu fördern. Aufgezeigt werden sollte die Bedeutsamkeit traditioneller Bildungsinhalte, was für die Mediävistik eine weit existentiellere Aufgabe ist als für die übrigen Teildisziplinen der Germanistik. Während die Relevanz der deutschen Sprache und Literatur gesellschaftlich anerkannt wird, muss die Beschäftigung mit ihren historischen Formen wissenschaftspolitisch immer wieder neu gerechtfertigt werden. So wurde in den 'Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbands' 2012 debattiert, ob "die Mediävistik weiterhin (bzw. wieder stärker) eine Rolle im Lehramtsstudium spielen" sollte.(2) Obwohl sich beide Beiträger, Kurt Finkenzeller und Ina Karg, dafür aussprachen und den "Sinn des Mittelalters im Deutschunterricht" herausstellten,(3) dokumentiert bereits die Fragestellung, dass eine Beschäftigung mit mittelalterlichen Texten für die Germanistik im 21. Jh. keine Selbstverständlichkeit mehr darstellt. Auch auf dem Deutschen Germanistentag in Kiel wurde diese Problematik aufgegriffen und in einer eigenen, von Nine Miedema und Ralf-Henning Steinmetz geleiteten, Sektion behandelt. Ausgehend von der Beobachtung, dass Kernbereiche der aktuellen mediävistischen Forschung außerhalb der Universitäten kaum zur Kenntnis genommen werden, luden die Sektionsleiter dazu ein, über "Neue Aufgaben der Mediävistik" zu diskutieren.(4) Die zahlreichen mediävistischen Beiträge auf dem Deutschen Germanistentag 2013 zeigten in ihrer Gesamtheit eindrucksvoll, wie sehr sich Vertreterinnen und Vertreter des Faches bemühen, die Bedeutung ihrer Forschungserkenntnisse in Schule, Universität und Gesellschaft zu vermitteln.(5)

Auch die App 'Frankfurt im Mittelalter. Auf den Spuren des Passionsspiels von 1492' ist aus diesem Anliegen heraus entstanden. Sie bietet einen historischen Stadtrundgang zum Herunterladen (auf Tablet, Smartphone oder iPhone) und knüpft an die aktuellen Tendenzen der Spielforschung an. Nachdem die Spiele des späten Mittelalters lange Zeit wenig Aufmerksamkeit fanden, hat sich dies im 21. Jh. grundlegend geändert. Die besondere Überlieferungssituation geist­licher Spiele wurde untersucht, das Verhältnis von Textualität und Performativität analysiert und viele aktuelle kulturwissenschaftliche Forschungsthemen wie Ritualität, Präsenz und Repräsentation, Emotionalität oder Gewaltdarstellungen wurden an dieser Gattung entwickelt und erprobt.(6) Die vieldiskutierte Alterität des Mittelalters lässt sich an den Eigenheiten des vormodernen Theaters besonders gut veranschaulichen, wie Jan-Dirk Müller jüngst noch einmal zusammenfassend dargelegt hat.(7)

Das 'Frankfurter Passionsspiel', das die Textgrundlage für die App 'Frankfurt im Mittelalter' bildet, wird in der Spielforschung gerne als Beispieltext heran­gezogen. Dies dürfte mit seiner exzellenten Erschließung zusammenhängen: Das 'Frankfurter Passionsspiel' wurde 1992 von Johannes Janota im Paralleldruck mit anderen Texten der hessischen Passionsspielgruppe herausgegeben und von Klaus Wolf in einem 2002 erschienenen, umfangreichen Kommentar erläutert. Die historischen Quellen der Passionsaufführungen hat Bernd Neumann 1987 ediert und Dorothea Freise in einer ebenfalls 2002 publizierten Dissertation zur hessischen Spiellandschaft ausgewertet.(8) Mehrere Beiträge zur lokalen Spieltradition sind in dem 2010 erschienenen Tagungssammelband zum literarischen Leben in Frankfurt im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit enthalten.(9)

Diese mediävistischen Forschungserkenntnisse einem breiteren Publikum zu vermitteln, war Ziel eines Lehrprojekts, das auf einer Kooperation der Abteilung für Ältere deutsche Literatur und des Schreibzentrums der Goethe-Universität Frankfurt basierte und das von Stephanie Dreyfürst und Regina Toepfer geleitet wurde. Der erste Schritt, Inhalte der Spielforschung bekannter zu machen, bestand darin, sie in der akademischen Lehre zu behandeln. In einem auf zwei Semester angelegten 'Schreibforschungsseminar' setzten sich Studierende zunächst philo­logisch und literaturwissenschaftlich mit dem 'Frankfurter Passionsspiel' und der einschlägigen Forschung auseinander. Anschließend wurden Archive, Museen und Bibliotheken besucht, um das Passionsspiel in der Stadt zu verorten. Dabei wurden die Studierenden zur eigenständigen Forschung, zur schriftlichen Reflexion und zur multimedialen Präsentation ihrer Erkenntnisse, u.a. im Rahmen eines ePortfolios, ermutigt. Nach der grundlegenden Erschließung der Inhalte arbeitete die Projektgruppe gemeinsam am Konzept der App. Sie wählte bestimmte Stationen, konkrete Textauszüge, historische Quellen und aktuelle Forschungsfragen aus, die bei dem virtuellen Stadtrundgang durch das mittelalterliche Frankfurt behandelt werden sollten. Gerade in dem Einsatz neuer Medien sahen die beiden Projektleiterinnen eine vielversprechende Möglichkeit, germanistisches Fachwissen außerhalb der Universität zu vermitteln. Schon um das Projekt durchführen und die App überhaupt realisieren zu können, war es notwendig, die Relevanz mediävistischer Inhalte darzulegen. Verschiedene Frankfurter Institutionen wie das Städel Museum, das Jüdische Museum, das Dommuseum, das Institut für Stadtgeschichte und die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg unterstützten die Projektgruppe, aber ohne die Einwerbung von Drittmitteln hätten weder die Entwicklung des Designs noch die Programmierung der Software finanziert werden können.(10) Nach zweijähriger Projektlaufzeit konnte die App 'Frankfurt im Mittelalter' im April 2014 veröffentlicht werden und ist seitdem in allen gängigen App-Stores kostenlos verfügbar.(11)

Die App macht sich nicht nur die allgemeine Faszination für das Mittelalter zunutze, sondern sucht durch eine lokalgeschichtliche Anbindung besonderes Interesse zu wecken. Touristinnen und Touristen, aber auch Bürgerinnen und Bürger werden dazu eingeladen, eine unbekannte Seite der Messestadt Frankfurt zu entdecken:

Das Mainhatten der Moderne wird als mittelalterlicher Aufführungsort von Passionsspielen präsentiert, wie sie heute noch in Oberammergau inszeniert werden. Die App enthält einen Stadtplan mit zwölf Stationen, an denen die Geschichte des 'Frankfurter Passionsspiels' und seiner Zeit erzählt wird. Der vorgeschlagene Weg führt vom Römerberg im Herzen der Stadt über das ehemalige Karmeliter- und Weißfrauenkloster zur Judengasse. Danach gelangt man zum Standort der mittelalterlichen Synagoge und dem Dom, bis der Stadtrundgang nach Überquerung des Mains auf der Alten Brücke an den Grenzen der mittelalterlichen Stadtbefestigung, am früheren Affen- und am Galgentor, endet. Bei historischen Stätten und vor Kunstdenkmälern, wie zum Beispiel Jörg Ratgebs Fresko von der Geißelung Jesu im Institut für Stadtgeschichte oder der Kreuzigungsgruppe von Hans Backoffen im Dom, können Audiobeiträge rezipiert werden. Die spätmittelalterliche Passionsfrömmigkeit der Frankfurter Bürger und ihre negative Kehrseite, der ausgeprägte Antijudaismus, dienen als Leitmotive. Vergangenheit und Gegenwart werden im 'Frankfurter Passionsspiel' immer wieder überblendet und die historischen Gegner Jesu mit den zeitgenössischen Juden gleichgesetzt. Ihre Diffamierung hat sich auch an öffentlichen Plätzen der Stadt Frankfurt niedergeschlagen. Bei jeder Station rückt eine andere Figur und Episode des 'Frankfurter Passionsspiels' in den Fokus: Das Weltleben der Maria Magdalena, das Letzte Abendmahl, der Verrat des Judas, die Geißelung Jesu, die Verleugnung durch Petrus, das – in der Bibel nicht belegte – Glaubensbekenntnis eines Muslims, der gewaltsame Tod Jesu am Kreuz und der Lanzenstich des Longinus werden aus literaturgeschichtlicher und kulturwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet.

Die Vermittlung von fachspezifischen Inhalten an ein fachfremdes und unter Umständen nicht-akademisches Publikum stellt aus wissenschaftlicher Perspektive fraglos eine Herausforderung dar. Komplexe Sachverhalte müssen reduziert, Informationen selektiert und historische Distanzen überbrückt werden, ohne eine allzu große Vertrautheit zu suggerieren. Auch mediendidaktische, museums­pädagogische und gattungsspezifische Komponenten sind zu beachten. Für einen Audiobeitrag gelten andere stilistische Regeln als für Wissenschaftsprosa. Die Aufnahmefähigkeit wie die Aufnahmebereitschaft von Zuhörerinnen und Zuhörern müssen berücksichtigt werden, die bei einer virtuellen Stadtführung zudem eine verbale Orientierungshilfe im Raum benötigen. Durch Thesen oder Fragen kann Interesse geweckt und die Aufmerksamkeit durch erzählende Beschreibungen gebunden werden, wohingegen zu viele Informationen oder Zahlen eine gegenteilige Wirkung entfalten.(12) Wie die App versucht, eine Balance zwischen einem wissenschaftlichen Anspruch und der medialen Öffnung zu finden, soll die zweite Station zur Nikolaikirche mit dem Titel "Die Ratsherren und das Letzte Abendmahl" exemplarisch zeigen:

Sie stehen nun am Römerberg, dem ehemaligen Samstagsberg. Den Namen bekam der Platz, weil hier zur Karolingerzeit jeden Samstag öffentlich Gericht gehalten wurde. Trotz des regen Treibens vor Ihnen haben Sie sicherlich eine gute Sicht auf das Frankfurter Rathaus. Der Römer mit seinem weltbekannten Balkon und die alte Nikolaikirche links von Ihnen sind gut zu sehen.
Stellen Sie sich nun vor, Sie befinden sich im Jahr 1492 an Pfingsten im mittelalterlichen Frankfurt. Zu dieser Zeit fand das berühmte Frankfurter Passionsspiel statt. Genau vor Ihnen auf dem Platz steht zwischen Römer und Nikolaikirche ein riesiges hölzernes Bühnengerüst. Während Sie sich mit dem Volk auf dem Rathausplatz drängen, haben sich die Ratsherren die besten Plätze gesichert. Blicken Sie doch einmal zum Rathaus. Dort oben, in den Fenstern des Römers sitzen mehrere Ratsherren und sehen sich das Treiben aus sicherer Entfernung an. Auch auf dem Balkon der Nikolaikirche stehen einige von ihnen. Die Ratsherren betrachten das Passionsspiel also von oben und werden zugleich selbst gut gesehen. Die Gelegenheit, das Passionsspiel für repräsentative Zwecke zu nutzen, lassen sich die Ratsherren jedenfalls nicht entgehen. Nach der Aufführung werden sie der Spielbruderschaft einen Geldbetrag zukommen lassen, gemeinsam mit den Spielern zu Mittag essen und auch einigen Wein spendieren.
Die Zuschauer schenken den Ratsherren freilich nicht allzu viel Aufmerksamkeit, sondern schauen gebannt auf die Bühne. Gleich kommt es dort zu einem ersten Höhepunkt: Jesus feiert das Letzte Abendmahl. Die Rolle des Jesus spielt ein stadtbekannter Priester. Den liturgischen Hochgesang singt er erst auf Latein – wie sonntags in der Messe – und dann wiederholt er seine Worte auf Deutsch, damit alle die Bedeutung verstehen. Das Letzte Abendmahl mit den Jüngern wird nicht als ein einmaliges historisches Ereignis, sondern wie das vertraute religiöse Ritual dargestellt. Es ist kaum ein Unterschied zu bemerken zum Gottesdienst in der Kirche. Auf dem Tisch liegt auch kein Lamm wie etwa bei der Abendmahlsdarstellung des Frankfurter Dominikaneraltars, sondern eine Hostie. Hören Sie doch selbst einmal kurz in das Geschehen hinein (v. 1968-1975):

Disz nemet gar bequeme,
secht, das ist myn lichname.
der wirt gegeben inn den doit
vor uwer aller noit.

Nu nemet, das ist auch myn blut.
das selbe, ir lieben, nach mir thut,
das ir da bij gedencket mynn.
myn getzugenys sal is sin.

Merken Sie, wie Sie augenblicklich mit in das Spiel hineingezogen werden? Beim Letzten Abendmahl sind nicht nur die Jünger Jesu, sondern alle versammelten Christen beteiligt – Frankfurter Ratsherren, Handwerker und Frauen –, und Sie selbst sind mittendrin. Sie sehen mit eigenen Augen, wie der Heiland erst das Brot bricht, dann den Kelch herumreicht und dabei die vertrauten Worte des Abendmahls spricht. Ob auch die Ratsherren auf ihren exquisiten Plätzen niederknien, als die Hostie empor gehoben wird?
Auch wenn das Passionsspiel wie ein modernes Theaterstück auf der Bühne aufgeführt wird, lädt es doch zur gemeinsamen Andacht ein. Alle Anwesenden werden von Zuschauern zu Teilnehmern eines religiösen Ereignisses. Das Theaterstück wandelt sich zu einem Gottesdienst. Aber – Sie befinden sich nicht etwa in der Nikolaikirche, sondern vor der Kirche auf dem Römerberg. Genau dieser öffentliche Raum ist es, der die Passionsaufführung zu etwas Besonderem macht. Weltlicher Trubel und geistliche Andacht, städtische Repräsentation und frommes Ritual sind untrennbar miteinander verbunden.

Gleich zu Beginn des Stadtrundgangs wird ein wesentliches Kennzeichen des 'Frankfurter Passionsspiels' wie anderer geistlicher Spiele des Mittelalters vorgestellt: Das Oszillieren zwischen Theater und Kult, Präsenz und Repräsentation. Erzählt wird dieses Spannungsverhältnis aus der Perspektive der Ratsherren, die als Zuschauer an der Passionsaufführung teilnehmen und die Episode des Letzten Abendmahls auf der Bühne betrachten. Die Einsetzungsworte Jesu werden im Original zitiert, um Authentizität zu erzeugen. Die Nutzerinnen und Nutzer der App erhalten wie bei jeder Station durch ausgewählte Verse einen Eindruck von der Sprache des 'Frankfurter Passionsspiels' und können zudem – abhängig von ihrem Vorwissen – Ähnlichkeiten zwischen dem Abendmahl auf der Bühne und einer Mahlfeier in der Kirche selbst beobachten. Die Ratsherren dienen als Mittlerfiguren, indem sie von Zuschauern zu Teilnehmern des Geschehens werden, und sollen die Vorstellungskraft der Zuhörerschaft zusätzlich anregen. Nur die Tribünen der Ratsherren, die Fenster des Römers und der Balkon der Nikolaikirche sind heute noch als Teil der Kulisse der Frankfurter Passionsaufführungen zu sehen.

Auch das Bildmaterial zur zweiten Station kann die Imagination fördern und die rituelle Bedeutung der Abendmahlszene veranschaulichen. Das erste Bild zeigt die Nikolaikirche in einem Ausschnitt eines der ältesten Stadtpläne Frankfurts, den Matthäus Merian d.Ä. 1628 publizierte. Auf dem zweiten Bild ist das Letzte Abendmahl aus der Predella des monumentalen Altars zu sehen, den Hans Holbein d.Ä. 1501 für die Frankfurter Dominikaner entwarf und der heute im Städel Museum besichtigt werden kann. Jesus sitzt mit seinen Jüngern um einen runden, weiß bedeckten Tisch, in dessen Mitte auf einer Schale ein Lamm zu erkennen ist. Das für das Mahl bestimmte Tier erinnert zum einen an die Pessahfeier des historischen Jesus, zum anderen verweist es auf den nach­österlichen Christus und seine Deutung als Opferlamm.

In einem Beitrag zur Geschichte und Zukunft der Mediävistik betonten Horst Brunner und Johannes Janota 2012, dass viele universitäre Disziplinen auf die sprach-, literatur- und kulturgeschichtlichen Kompetenzen der Vertreterinnen und Vertreter des Faches angewiesen sind und dass "das weitverbreitete Interesse am Mittelalter als einer anziehend-fremden Welt", das außerhalb der Wissenschaft zu finden sei, "besser von Fachleuten als von Dilettanten bedient werden sollte."(13) Dieser Aufgabe haben sich die Projektleiterinnen bei der Konzeption der App 'Frankfurt im Mittelalter. Auf den Spuren des Passionsspiels von 1492' gestellt. Die auf dem Germanistentag 2013 diskutierte Frage, ob "ein kontinuierlicher Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen der Mediävistik in breitere Gruppen gesellschaftlicher Kultur- und Bildungsträger möglich ist",(14) lässt sich nach Abschluss des Projekts eindeutig bejahen. Die neuen Medien, eine lokale Anbindung und städtische Kooperationen liefern beste Voraussetzungen, konkretes Interesse für Mediävistik zu wecken. Durch eine multimediale und didaktisch durchdachte Präsentation kann eine breitere Öffentlichkeit erreicht und für die mittelalterliche Literatur gewonnen werden. Hinsichtlich einer künftigen Positio­nierung der germanistischen Mediävistik lässt sich daher die Schlussfolgerung ziehen, dass die Zukunft des Faches entscheidend von seinen Vertreterinnen und Vertretern abhängig ist: Wenn sich die Mediävistik neuen Medien öffnet, Philologie und Kulturwissenschaft als Einheit begreift, handlungs- und produktionsorientiert arbeitet, die Verbindung zu Schule und Gesellschaft wahrt und ihre Studierenden zu begeistern weiß, wird sie die Bedeutung ihrer Forschungserkenntnisse im 21. Jh. besser denn je vermitteln können.

PD Dr. Regina Toepfer, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Deutsche Literatur und ihre Didaktik, Grüneburgplatz 1, D–60629 Frankfurt a.M.
E-Mail: R.Toepfer@lingua.uni-frankfurt.de

Anmerkungen:

  1. Vgl. Deutscher Germanistentag 2013. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 22.-25. September 2013. Vorankündigung und Call for Papers, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 59 (2012), S. 91-103, hier S. 91.
  2. Vgl. Mitteilungen [Anm. 1], S. 159-163.
  3. Vgl. Kurt Finkenzeller, "Braucht’s des?!" – Vom Sinn des Mittelalters im Deutschunterricht, in: Mitteilungen [Anm. 1], S. 159-161; Ina Karg, Mittelalterliche Literatur – warum und wie?, in: Mitteilungen [Anm. 1], S. 161-163.
  4. Vgl. Nine Miedema und Ralf-Henning Steinmetz, Neue Aufgaben der Mediävistik, in: Mitteilungen [Anm. 1], S. 102.
  5. Besonders hervorzuheben sind das von Wernfried Hofmeister geleitete Projekt 'Steirische Literaturpfade des Mittelalters' (vgl. ZfdA 143 [2014], S. 467-483; http://literaturpfade.uni-graz.at [7.8.2014]) und das von Nine Miedema begründete Portal 'mittelneu' zu mhd. Texten im Deutschunterricht (vgl. https://www.uni-due.de/~hg0222 [7.8.2014]).
  6. Vgl. z.B. Jutta Eming, Gewalt im Geistlichen Spiel: Das Donaueschinger und das Frankfurter Passionsspiel, in: The German Quarterly 78 (2005), S. 1-22; Ursula Schulze, Schmerz und Heiligkeit. Zur Performanz von Passio und Compassio in ausgewählten Passionsspieltex­ten (Mittelrheinisches, Frankfurter, Donaueschinger Spiel), in: Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. Festschrift für Johannes Janota, hg. von Horst Brunner u.a., Tübingen 2003, S. 211-232; Werner Williams-Krapp, Überlieferung und Gattung. Zur Gattung 'Spiel' im Mittelalter, mit einer Edition von "Sündenfall und Erlösung" aus der Berliner Handschrift mgq 496, Tübingen 1980. – Vgl. auch die Beiträge in folgenden Sammelbänden: Transformationen des Religiösen. Performativität und Textualität im geistlichen Spiel, hg. von Ingrid Kasten und Erika Fischer-Lichte (Trends in Medieval Philology 11), Berlin u.a. 2007; Ritual und Inszenierung. Geistliches und weltliches Drama des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Hans-Joachim Ziegeler, Tübingen 2004.
  7. Vgl. Jan-Dirk Müller, Präsenz des Heils und Repräsentation. Zur Alterität des Geistlichen Spiels (mit einem Nachwort zu anderen Formen des mittelalterlichen 'Dramas'), in: Alterität als Leitkonzept für historisches Interpretieren, hg. von Anja Becker und Jan Mohr (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 8), Berlin 2012, S. 263-284. Vgl. auch Jan-Dirk Müller, Mimesis und Ritual. Zum geistlichen Spiel des Mittelalters, in: Mimesis und Simulation, hg. von Andreas Kablitz und Gerhard Neumann, Freiburg 1998, S. 541-571; ders., Kultur­wissenschaft historisch. Zum Verhältnis von Ritual und Theater im späten Mittelalter, in: Lesbarkeit der Kultur. Literaturwissenschaften zwischen Kulturtechnik und Ethnographie, hg. von Gerhard Neumann und Sigrid Weigel, München 2000, S. 53-77; ders., Realpräsenz und Repräsentation. Theatrale Frömmigkeit und Geistliches Spiel, in: Ziegeler [Anm. 6], S. 113-133. Vgl. auch Hans Ulrich Gumbrecht, Für eine Erfindung des mittelalterlichen Theaters aus der Perspektive der frühen Neuzeit, in: Festschrift für Walter Haug und Burghart Wachinger, hg. von Johannes Janota, Tübingen 1992, Bd. 2, S. 827-848. – Zur Alteritätsdebatte vgl. auch Wie anders war das Mittelalter? Fragen an das Konzept der Alterität, hg. von Manuel Braun, Göttingen 2013.
  8. Vgl. Die Hessische Passionsspielgruppe. Edition im Paralleldruck, hg. von Johannes Janota, Bd. 1: Frankfurter Dirigierrolle – Frankfurter Passionsspiel. Mit Paralleltexten der 'Frankfurter Dirigierrolle', des 'Alsfelder Passionsspiels', des 'Heidelberger Passionsspiels', des 'Frankfurter Osterspielfragments' und des 'Fritzlarer Passionsspielfragments', Tübingen 1996; Dorothea Freise, Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden Mittelalters. Frankfurt – Friedberg – Alsfeld (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 178), Göttingen 2002; Bernd Neumann, Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Aufführung mittelalterlicher religiöser Dramen im deutschen Sprachgebiet, 2 Bde. (MTU 84,85), München u.a. 1987, S. 310-326, Nr. 1492-1546; Klaus Wolf, Kommentar zur 'Frankfurter Dirigierrolle' und zum 'Frankfurter Pas­sionsspiel' (Die Hessische Passionsspielgruppe Ergänzungsband 1), Tübingen 2002.
  9. Vgl. Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. Strategien und Institutionen literarischer Kommu­nikation im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, hg. von Robert Seidel und Regina Toepfer (Zeitsprünge 14), Frankfurt a.M. 2010, S. 97-174 ("Aufführungstradition: Spiel und Drama").
  10. Die visuelle Gestaltung der App stammt von Imke Schmidt (dankegrafik, Berlin) und die technische Umsetzung von Marius Schmidt (Schmidt-denkt-mit, Oberursel). Gefördert wurde das Projekt von der Dr. Marschner-Stiftung, Microsoft, der Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität sowie dem Förderfonds Lehre der Goethe-Universität.
  11. Die Projektleiterinnen stellten die App in öffentlichen Präsentationsveranstaltungen an der Goethe-Universität Frankfurt und im Jüdischen Museum Frankfurt vor, woraufhin die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (19.04.2014, S. 38), die Frankfurter Rundschau (07./08.06.2014, S. 21) und der Hessische Rundfunk (20.04.2014, hr iNFO) über den virtuellen Stadtrundgang berichteten. In fachwissenschaftlichen und hochschuldidaktischen Kontexten wurde das Projekt ebenfalls präsentiert, so bei einem ePortfolio-Workshop in Freiburg, beim eLearning-Netzwerktag der Geisteswissenschaften an der Goethe-Universität und auf dem Deutschen Germanistentag in Kiel (2013) sowie beim Mittelaltertag in Heidelberg (2014).
  12. Diese Regeln eines 'Schreibens für's Hören' wurden der Projektgruppe von einer Redakteurin des Hessischen Rundfunks vermittelt, wodurch die Studierenden lernen sollten, adressatenorientierte und textsortenspezifische Texte zu verfassen.
  13. Vgl. Horst Brunner und Johannes Janota, Von der deutschen Philologie zur germanistischen Mediävistik. Zu Geschichte und Zukunft eines Universitäts-, Ausbildungs- und Bildungsfachs, in: Mitteilungen [Anm. 1], S. 299-305, hier S. 304.
  14. Vgl. Miedema/Steinmetz [Anm. 4], S. 102.
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